24h-Challenge Linz-Passau-Linz

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Photocredit: Franz Haunschmidt

Wahnsinn wird Wirklichkeit

Ein altes Foto im Klubhaus unseres Rudervereins LRV Ister aus den 30er Jahren hat uns inspiriert: Rekordfahrt Linz-Passau-Linz. In welcher Zeit ist eine solche Fahrt heute möglich? Vom neuen Bootshaus (Winterhafen), welches ca. 6 km unterhalb des alten Bootshauses (Höhe geplante Westring-Brücke A26) liegt? Also 12 km mehr zu rudern! Mit 3 Staustufen zum Umtragen der Boote, die möglicherweise aufhalten? Dafür natürlich mit modernstem Carbon-Equipment, Müsli-Riegel, Stroke Coach, GPS-Uhr, LED-Leuchten und Support-Team. Die Zeit war reif für eine neue Rekordfahrt. Das ist unser Erfahrungsbericht.

Im EDV-Logbuch des LRV Ister findet sich am 15.08.2019 unter lfdNr 9942 folgender lapidare Eintrag:

Boot: Schlögen
Mannschaft: Haunschmidt Franz, Nigl-Eder Elke, Burg Thomas
Abfahrt: 04:30
Ankunft: 04:30
Ziel: Passau/Innmündung / 2224,8
Km: 188 km

Was steckt hinter diesem Eintrag? Hier die Chronologie einer einmaligen „rekordverdächtigen“ Ruderfahrt:

Vortag Bootshaus
Elke hat für alle Teilnehmer Leibchen besorgt mit der der Aufschrift: „24h-Challenge Linz-Passau-Linz 15. August 2019 Elke, Franz, Thomas“. No way out!

04:30 WH
Abfahrt. Pegelstand Linz 401 cm. Die geplante Abfahrt um 03:45 ist wegen verzögerter Anreise zum Bootshaus sowie Einlade- und Einstellarbeiten beim Boot nicht einzuhalten. Das diffuse Nachtlicht der Großstadt und der Vollmond spenden ausreichend Licht, um an der Bojen-Kette zwischen Autobahn-Brücke und künftiger Eisenbahn-Brücke zu übersetzen.

06:15 2145,4 l (StromKM)
Am Beginn des Altarmes in Ottensheim befindet sich bereits das Transport-Schiff, das den Altarm für die Ruder-WM sperrt, wir müssen eine wirklich schmale Engstelle zwischen Schiff und Sträuchern passieren, die etwas breiter als unser Ruderboot ist. Wir rudern in die Büsche, legen lang, streichen, gehen back auf und irgendwann sind wir durch.

Auf dem Rückweg haben wir bei völliger Dunkelheit dasselbe Problem. Zur Verbesserung der Sicht wird unser bugwärts gerichtetes Positionslicht kurzfristig auf volle Lichtstärke gestellt.

06:45 2147,8 l
Überheben (eigentlich: Umtragen) bei der UMT Ottensheim hat tadellos in Rekordzeit geklappt. Wir rudern die ersten km mit stolzen Schwänen, bei Nebelschwaden und aufgehender Sonne. Erste Schmerzen stellen sich im Stausee zwischen Ottensheim und Brandstatt ein (Rücken, Po). Viel zu früh!

08:30 2162,7 l
Bei der UMT Aschach klappt das Umtragen dank Supportteam ebenfalls  hervorragend. Es empfangen uns Alex Weigl und Klaus Lummerstorfer mit frischen ofenwarmen Salzstangerl vom Bäcker. Das Umtragen bei schwierigen Verhältnissen unterhalb der Staustufe erfolgt praktisch in Allein-Regie und Allein-Arbeit der beiden.

09:15 2163,0 l
Abfahrt beim Kraftwerk Aschach. Die nächsten 40 km durch das „fjordartige“ Donautal sind traumhaft schön, ziehen sich aber endlos. Ich stelle mir persönlich die Sinnfrage und bin nicht mehr motiviert. Wir brauchen stromauf 5 Stunden. Kurz vor dem (letzten) Kraftwerk Jochenstein erlaube ich mir die Frage, ob wir nicht umkehren sollten. Linz-Jochenstein-Linz wäre ja auch ein schöner Erfolg? Antwort der Mehrheit: „Nein, wir wollen jedenfalls einmal bis Passau. Dann denken wir weiter.“

14:15 2203,2 r
Bei der UMT Jochenstein empfängt uns Daniel Haas und meine Umkehrwünsche sind damit obsolet. Dank seiner Hilfe ist das Boot trotz starker Strömung und hohem Wasserstand im Nu draußen und auf dem bereits von ihm mit Schlüssel organisierten Wagerl.

15:00 2203,9 r
Bei der Einstiegsstelle treffen wir auf eine Gruppe von Wanderruderern des RC Wels, die in Aschach gestartet sind und sich erkundigen, ob wir auch in Kasten (4 km stromaufwärts 2208,0 r) übernachten. Elke: “Nein, wir übernachten in Linz“. Wanderruderer: „Eh, Entschuldigung, ist das nicht in die andere Richtung?“ Elke: „Ja, stimmt, aber wir wollen zuerst noch nach Passau!!“ Wir vereinbaren mit den verblüfften Welsern, dass sie unser Wagerl haben können, wenn sie es dann etwas versteckt bei der bergseitigen Umtragestelle zurücklassen. Hat hervorragend geklappt. Sehr netter Kontakt.

18:00 2221,8 r
Der weitere Weg  nach Passau ist hart. In der Innenkurve vor Passau entlang der Soldateninsel geht nichts mehr. Wir brauchen für die letzten 3 km vor Passau mehr als 30 Minuten. Ein in diesem Donauabschnitt völlig unerfahrener Steuermann, starke Strömung, Wirbel, Kehrwasser, ein Brückenjoch der Eisenbahnbrücke, welches in einen Seitenarm führt, bringen die Mannschaft zur Verzweiflung. Der weibliche Teil der Mannschaft möchte beim ersten Anblick der Altstadt von Passau umkehren. Die männliche Mehrheit setzt sich durch, wir rudern bis Passau.

18:30 2224,8
Photo-Shooting im Boot zwischen Altstadt Passau, Inn- und Ilz-Mündung in der untergehenden Abendsonne. Alle sind zufrieden. Wir steigen nicht aus! Es wird in Anbetracht der späten Stunde vom männlichen Teil der Besatzung ventiliert, zwischen Passau und Kasten zu übernachten und die Fahrt erst am nächsten Tag fortzusetzen. Elke ist strikt dagegen, Elke setzt sich durch, wir rudern weiter.

21:00 2203,2 r
Wir haben die UMT Jochenstein passiert und rudern in die Nacht. Thomas hat die Funktion des Steuermanns übernommen. Ich konnte mich nach 94 km stromauf und 25 km stromab einfach nicht mehr umdrehen und konzentrieren. Zudem kann ich aufgrund einer angeborenen Rotschwäche in der Nacht Rot und Grün kaum unterscheiden.

Der Vollmond ist nur kurz eine Unterstützung, er wird bald von Regenwolken eingeholt. Nach kurzer Selbst-Einlern-Phase steuert Thomas unser Boot perfekt im leichten Zick-Zack-Kurs zwischen den Funkfeuersignalen für die Großschifffahrt im engen mäanderförmigen Flusstal zwischen Schlögen und Untermühl stromab. Wir haben Mitwind und ruhiges Wasser. Eine durchzechte Nacht ist lang, eine Nacht im Ruderboot zwischen Engelhartszell und Aschach ist wesentlich länger. Zum Glück kommt uns kein einziges Schiff in die Quere. Dem ersten Passagierschiff begegnen wir erst auf der Zufahrt zum Kraftwerk Aschach.

Dort erwarten uns Daniel Haas  und Martin Böhm. Dank ihrer Unterstützung ist das Boot schnell umgetragen. Ohne sie, weiß ich nicht, wie wir zu Dritt vollkommen ausgepowert das voll beladene Boot über die glitschige Betonrampe mit Eisenringen gebracht hätten. Wir genießen Weintrauben und mitgebrachten warmen Tee.

01:24 2162,7 l
Wir haben die Staustufe Aschach hinter uns, nur noch 31 km bis Linz! Im (für uns unendlich langen) Stausee zwischen Aschach und Ottensheim und dann auf dem Weg nach Linz begegnen wir acht weiße Passagierschiffe. Dank unseres weißen Positionslichtes sind wir gut erkennbar. Nach kurzer „Begrüßung“ durch die Suchscheinwerfer, die unser Boot jedes Mal taghell erleuchten, ziehen die Kreuzfahrtschiffe weiter Richtung Passau.

03:00 2147,8 l
Bei der UMT Ottensheim beginnt es zu regnen. Meine letzten Blasen an den Händen springen auf, als Elke auf der Regattastrecke eine Steigerung versucht. Schlagzahlmesser und GPS-Uhren haben mangels entsprechender Ladekapazität schon längst ihren Geist aufgegeben. Nur das Positionslicht und die Stirnlampen brennen noch. Alle im Boot wissen, wir schaffen es!

04:30 WH
Ankunft. Pegelstand Linz 383 cm. Die letzte Hürde ist die Bojen-Kette zwischen den Brücken in Linz. Sie wird von Thomas bravourös gemeistert. Es regnet stark. Wir sind völlig erschöpft. Wir wollen nur noch nach Hause und ins Bett.

05:00 Bootshaus
Nach kurzer Erholung lassen wir den Korken des von Elke eingekühlten Sekts knallen. Gemeinsam mit Klaus Lummerstorfer, der es sich nicht nehmen ließ, uns vor seinem Arbeitsantritt zu gratulieren. Der ABBA-Song „Dancing Queen“, der uns auf der Ruderfahrt über eine kleine wasserdichte Musikbox unserer „Rowing-Queen“ Elke begleitete, wird mit Rücksicht auf die (vielleicht noch schlafenden) Nachbarn (leider) nicht mehr angespielt. Ein „Ohr-Wurm“, den ich wahrscheinlich immer mit dieser Fahrt verknüpfe.

17:30 Bootshaus
Beim Bootputzen stellt sich die Frage, wer die Fahrt einmal wiederholen möchte: Elke: „Nie wieder!“ Ich: „Keinesfalls mehr!“ Thomas: „Sag niemals nie!“ Übereinstimmung herrscht, dass ohne Supportteam, das in unserem Fall spontan ausgezeichnete Arbeit geleistet hat, eine solche Ruderfahrt nicht möglich ist. Herzlichen Dank!

Bericht: Franz Haunschmidt

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