Im Doppelzweier von Passau nach Wien (17.-20. Mai 1914)

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Aus dem Archiv: Ein Beitrag von „Wilhelm Täuber“ aus seinem persönlichen Logbuch „Rudersport 1912-1930“, das vollständig digitalisiert und Dank Günther Lehner und anderen Vereinsmitgliedern fast vollständig transkribiert und mit Tags aufbereitet im digitalen Archiv schlummert. Die folgende Ruderfahrt auf dem österreichischen Teil der Donau wurde von ihm, sowie einem Herrn „Müller“, „Rudi Feix“ und im Boot „Meteor“ vor fast genau 106 Jahren durchgeführt. Doch lest selbst!


Sonntag 17. Mai 1914: … Öd und menschenleer waren die kleinen Gassen Passau’s, als Müller uns um 4 Uhr morgens, die Hände in den Taschen unserer Regenjacken vergraben, im strömenden Regen ans Innufer ging und die schöne Innpromenade zur Donau wanderten, mißmutig und verstimmt. Seitdem wir gestern um 10.05 abends Wien verlassen, regnete es ununterbrochen und das schon 8 Tage hindurch und keine Aussicht auf Besserung. Und als wir dann beim „Ochsen“ saßen und das süffige, schwarze Hofbräu tranken, da ließ der Regen sogar nach und bei halbwegs leidlichem Wetter erstiegen wir dann den Festungsberg Oberhaus und genossen den herrlichen Blick auf Passau. Um 140 mittags kam der Postdampfer mit unserem Boot „Meteor“, wir leeren das Wasser heraus, zahlen schweren Herzens noch 1 M. 50 Pf. Auslös-Gebühr || — dann ade schönes Passau — die Talfahrt beginnt.
Es ist 2 m Hochwasser, ich steuere gleich unter der Luitpoldbrücke in die Strommitte, dann legen wir „platt“ und lassen die letzten Häuser der Ilz-Vorstadt vorüberziehen. Es gießt mit geringen Unterbrechungen bis zun Abend! Dichte Nebel ziehen am Ufer entlang, kriechen die dichten Wälder hinauf und verdüstern Strom und Berg. An dem hübschen Obernzell vorbei, gehts in flotter Fahrt, teils rudernd, teils schwabend zur Grenze Engelhartszell, wo wir zum Ufer müssen und vom Finanzer visitiert werden. Herrlich wäre das Uferbild gewesen bei besserem Wetter. Die halb verfallenen Burgen, Adlernestern gleich, auf steilen, schier unerzwinglichen Felsen, die schweren, düsteren Wälder zu beiden Seiten des reißenden Stromes – ein mächtiges, stolzes Bild! Heute aber lagert dichter Nebel auf dem sonst so freundlichem Land und in unsere Windjacken gehüllt, sitzen wir im Boot und denken an blauen Himmel und Sonnenschein! Vielleicht morgen, lieber Jupiter pluvius !?

Wesenufer-Marsbach passieren wir „schwabend“, dann aber legen wir uns in die Riemen und rudern ohne Unterbrechung die berühmte S-Schlinge der Donau durch bis Ober-Mühl, an der Mündung der kleinen Mühl. Tropfnaß kommen wir um 1/4 7 Uhr abends an — in der S-Schlinge goß es wie mit Schaffeln. Im Schupfen verwahren wir Boot und Riemen, dann ziehen wir uns um, verschlingen mit einem Löwenappetit unser doppeltes Nachtmahl und schon um 9 Uhr liegen wir in den Federn. 4 Stunden……….48 km.
Montag 18.V.
Der herrliche Sonnenmorgen den wir erhofft, zeigt sich in Gestalt eines bleigrauen düsteren Regenhimmels und wieder regnete es den ganzen Tag mit nur kurzen Pausen, in denen wir sogar manchmal die Sonne zu sehen bekamen. Um 8 Uhr früh steigen wir ins Boot und schwaben über Neuhaus bis Aschach, dem letzten, hübschen Ort, denn jetzt treten die dichten Wälder an den Ufern zurück und links und rechts ziehen düstere, eintönige Auen vorüber, die in ihrer Gleichförmigkeit || Körper und Geist ermüden. Wir schwaben die gefährlichen, großen Aschacher-Bunen durch, dann aber wird stramm gerudert, bis wir das stolze Schloß Ottensheim sichten, wir legen platt und lassen den hübschen, sympatischen Ort vorüberziehen, der, an der Mühlkreisbahn gelegen, eines der idyllischsten Dörfchen Ober-österreichs ist. Das Wetter hatte sich zu unserer Freude recht nett herausgeputzt: wohl war der Himmel teilweise bewölkt, doch es war warm und windstill und die Hauptsache — regnete nicht. Zu allem war infolge des langen Regens Hochwasser und wir trieben sehr rasch. Treibend 5′, rudernd 3 ½ min den Kilometer, so daß wir uns gütlich Zeit lassen konnten. Inzwischen kamen wir der Landeshauptstadt Linz immer näher und wir beratschlagten…

ob wir in Linz anlegen sollten oder nicht. Es ergab sich aber weder in Urfahr, noch am rechten Ufer ein geeigneter Platz und wir passieren – Riemen platt – nach 11 Uhr vormittags die Stadt. Und als dann die letzten Häuser vorbei waren und die Stadt langsam entschwand da zogen liebe Erinnerungen an meinem geistigen Auge vorüber — damals als ich von der ersten Waffen-übung kam und von hier nach Kaplitz und Meinetschlag fuhr Schöne, unvergeßliche Zeiten, die nie wiederkehren!! — Bei km 99 knapp vor der Eisenbahnbrücke legen wir an und essen in Windegg, bei der freundlichen Ruderer-Wirtin, gut zu Mittag. 1215 – 145. Nachmittags wurden wir dann einige male wieder fest gewaschen, doch dafür entschädigte uns öfters warmer Sonnenschein, den wir freudig begrüßten. An der Traun-Mündung gings vorbei in raschem Zuge gegen Mauthausen, wo wir bei der Enns-Mündung dem Postdampfer begegneten. || Die folgenden Auen durchrudern wir flott, begrüßen bei hellem Sonnenschein das stolze kaiserliche Schloß Wallsee, das uns noch lange grüßt, als wir schon gegen Ardagger steuern. Nun ruhen die Riemen, denn wieder treten Berge und Felsen zum Ufer und geben ein gar hübsches Bild, das die Strahlen der Nachmittagssonne freundlich erhellen — hurrah, schön wird’s morgen!! Bald sind wir in Grein und da wir noch reichlich Zeit haben, durchrudern wir noch heute den einst so gefürchteten „Strudel“, der heute schon harmlos ist, bis auf einige, starke „Kehren“, besonders am Fuße der kecken Burgruine Struden, wo die Donau eine scharfe Biegung gegen Nikola macht. An Sarmingstein legen wir dann an und kaum ist das Boot aus dem Wasser — ¾ 7 Uhr abends und wir im Wirtshaus, geht schon ein fürchterliches Gewitter nieder. — 8 Uhr früh – ¾ 7 Uhr abends (1 ½ Stunden Mittagsrast) 105 km.

Dienstag 19.V.
Wieder trüb und ohne Sonne der eckelhafte Regenhimmel! Erst um 845 vormittags treiben wir weiter. Und siehe da es regnete nicht und wurde schöner und schöner und immer mehr brach die Sonne durch die grauen Wolken, die uns nun schon seit Passau verfolgten. Es war fast windstill und wir freuten uns umsomehr, als auch die Gegend herrlich schön war — der erste „Genußtag“ heute! Wir ruderten demgemäß sehr wenig und in raschem Fluge zogen die Uferdörfchen und Burgen an uns vorbei. Schön war Persenbeug, gegenüber die alte Stadt Ybbs, an der Mündung des gleichnamigen Flusses, bald begrüßen wir Säusenstein, eine zeitlang begleitet uns die Westbahn am rechten Ufer, dann taucht nach einem scharfen Donauknie Marbach drüben auf, am Fuß des Wallfahrtsberges Maria-Taferl. Pöchlarn, die alte Hunnenstadt Bechelaren durchrudern wir, || da sehen wir schon das stolze Stift Melk. Herrlicher Sonnenschein liegt über dem Strom, der einst von der mächtigen Feste Weitenegg beherrscht, heute wild an der alten Ruine vorbeischießt. Doch es hat ja heute noch nicht geregnet! Schönbühl kreuzen wir noch trocken, dann aber gings los! Ein Wolkenbruch geht nieder und wir ziehen „wie die Wilden“ an um bald das rettende Aggstein zu erreichen, und als wir um 1230 mittags beim Gasthaus anlegen — hört’s auf — der letzte Regen!! — 430 Rast. Als unser fürchterlicher Hunger gestillt war, gingen wir zur stolzen Ruine hinauf (¾h) und bereuten es nicht, denn gar prächtig ist dieser Lugaus weit über den Strom und die vielen Wachauer Berge. – Die Wachau, diesen schönsten Teil der Donau, schwabten wir durch. Vergoldet war Strom und Berge und Burgen von den warmen Strahlen der so lang entbehrtern Sonne

Lächelnd grüßten die schmucken Häuschen von Spitz und St.Michael, von Weitzenkirchen und Dürnstein und weckten alte Erinnerungen. Hier war ich im selben Boot im vergangenen Jahr gerudert,mit meinem lieben Rudi Feix, der nun verloren ist für immer durch seine Heirat — hier grüßt der „84 km“ wo wir vor 2 Jahren bei der Rekordfahrt wendeten. — Stein, Mautern und Krems schwaben wir noch, dann arbeiten wir einige „Kilos“, um || die faden Auen von Hollenburg loszuwerden. Nun war der Himmel ganz rein, rot umrandet stehen im Westen die Konturen der Wachauer Berge, tiefes Abendrot spiegelt sich im rauschenden Strom — herrlicher Abend war’s, der endlich, endlich schönen Tag versprach. 730 abends landen wir bei der Überfuhr in Traismauer, deponieren beim Hammerschmid (Ufergasthaus), das Boot und wandern durch die Auen in den Ort, wo wir beim „Schwan“ gut nächtigen. 845-730 ( 4 Stunden Mittagsrast) 85 km.

20.5. Mittwoch
Der letzte, der schönste Tag! Ideal in jeder Beziehung! Heiße Sonne, „oberer“ Wind der uns rasch trieb, so daß wir den ganzen Tag nur „schwabten“. 745 vorm. Abfahrt. Bis Kl. Schönbichl schwaben wir, auf der kleinen Sandbank beim 44er legen wir an und sonnen uns. 9 – 1145 mittags. Weiterfahrt über Tulln nach Muckendorf, wo wir Mittag essen, beim alten Eckhart. 130 – 330. Immer näher rückt das alte, liebe Greifenstein, bald sind wir vorbei und schon um 530 abends steigen wir in Klosterneuburg ans Flößel — eine herrliche, wenn auch vom Wetter wenig begünstigte Fahrt war beendet, die eine reine Erholungspartie war, da die einzelnen Tagesleistungen sportlich ganz unbedeutend klein sind doch wir wollten uns ja erholen!

km
1. TagPassau – Obermühl48
2. Tag– Sarmingstein105
3. Tag– Traismauer85
4. Tag– Klosterneuburg50
288km

— Ende —


Beeindruckend, nicht wahr? Falls du noch mehr Interesse an alten Ruderberichten, dem Digitalisierungsprozess (in diesem Fall mit dem Großformat-Auflicht-Buchscanner), dem Transkribierungsprozess der Kurrent-Handschrift per Transkribus oder gar an der Mitarbeit im Archiv hast, melde dich einfach beim archiv@ister.at.

Weitere Metadaten: „person“-Tags: Müller, Rudi Feix || „comment“-Tags: Jupiter pluvius: Mythologie: Gott Jupiter Pluvius, der Regnende || „place“-Tags: Passau, Wien, Inn, Innpromenade, Oberhaus, Donau, Luitpoldbrücke, Obernzell, Engelhartszell, Engelhartszell a.D., Wesenufer, Marsbach, S-Schlinge, Ober-Mühl, kleinenMühl, Wesenufer-Marsbach d.D., Aschacher -Bunen, Schloß Ottensheim, Mühlkreisbahn, Linz, Obermühl a. d. Donau, Aschach d.D., Urfahr, KaplitzMeinetschlag, km 99, Eisenbahnbrücke, Windegg, Ruderer-Wirtin, Traun-Mündung, Mauthausen, Enns-Mündung, Ottensheim, Schloss Wallsee a.D., Schloß Wallsee, Ardagger, Grein, Strudel, Burgruine Struden, Nikola, Sarmingstein, Sarmingstein an der Donau, Persenbeug, Ybbs, Säusenstein, Maria-Taferl, Pöchlarn, Bechelaren, Ruine Weitenegg, Stift Melk, Feste Weitenegg, Schönbühl, Aggstein, Wachau, Ruine Aggstein, Schloss Schönbühel a.d.Donau, Spitz, St.Michael, Weitzenkirchen, DürnsteinStein, Mautern, Krems, St. Michael, Ruine Dürnstein, Hollenburg, WachauerBerge, Hammerschmid (Ufergasthaus), Stein a.D., Traismauer, Kl. Schönbichl, 44er, Tulln, MuckendorfGreifenstein, Ruine Greifenstein, Obermühl, Klosterneuburg, Nieder-Österreich, Ober-Österreich, Baiern

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2 Kommentare

  1. Bei diesem Bericht werden einem in diesen Zeiten die Augen nass.
    Es wäre ein gutes Drehbuch für eine TV-Doku (es muß ja nicht immer ums Klettern gehn).Ich werde den Bericht an meine Wassersportfreunde weiterempfehlen.
    Danke auch für die Transkription,
    LG
    Fritz

  2. Ein sehr interessanter Bericht. Schön gestaltet und geschrieben. Ist das jener Willi Täuber der vorher bei Rapid gespielt hat, und sich aber dann für das rudern entschieden hat? Ich habe einige Ansichtskarten von einen Willi Täuber, der gut mit meinem Urgroßonkel Paul Tinhof befreundet war, der wiederum Funktionär beim Fußball Club Rapid war. Das war eine Clique die sehr sportlich war. Würde mich interessieren was aus dem sportlichen Willi Täuber geworden ist.
    Danke für das aufbereiten und ins Netz stellen
    Bettina Roidner

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